Dienstag, 21. Juni 2016, Brejning — Ebelthoft
Wie von den Männern und Frauen vom Wetter vorhergesagt, ist die gestrige Scheinewigkeit heute morgen aufgehoben. Der Himmel zwar noch zugezogen, aber im Verlauf des Tages wird es freundlicher und wir schälen uns nach und nach aus unseren Klamotten; am Nachmittag reißt endlich der himmlische Vorhang ganz auf. Mit 3-4 Bft kommen wir zunächst gut voran. Aber mit dem klaren Himmel zusammen schläft der Wind ein. Da nutzt es auch nichts, dass wir den Genacker parat haben.
Die Puste reicht nich hin und nich her, um Vortrieb zu erzeugen. Von zwei Seiten donnern Haifischfähren auf uns zu; ein mulmiges Gefühl, da der AIS den CPA der einen zeitweilig mit 90 Fuß anzeigt, bei 34 Knoten Fahrt. Diese Begegnung ist unbedingt zu vermeiden. Die Frau Kapitän meint, die Fähren müssen uns Seglern gegenüber ausweichen; Su ist eher pessimistisch. In dem Punkt gibts aktuell Klärungsbedarf, später die KVR und eine Konsultation mit dem Badewannenkapitän, der solcher Sachen immer sicher ist. Nun muss erstmal sowieso Heinz ran, auch James kommt noch zum Einsatz.
Wunderschöne Durchfahrt zwischen Tunö und Samsö, lieblich geschwungene Linien und die Felder im braunen Bürstenschnitt. Irritierende Betonnung nach Ebelthoft rein. Eine rote Tonne entpuppt sich bei näherer Betrachtung als Werbetonne. Wir lassen uns nicht verwirren... Im Hafen von Ebelthoft hat die Saison anscheinend auch noch nicht richtig angefangen. Viel zu viel Auswahl... Das Abendbrot lässt heute etwas auf sich warten, da eine ungeübte Kombüsencrew am Werk ist. Aber hey! Das gibt uns Zeit für angeregte Diskussionen, z.B. über syrische Mitarbeiter, Vollverschleierung im Westen, den Brexit und what not. Kurzer Spaziergang ins ausgestorbene Dorf; vorher noch schnell den Sonnenuntergang anbeten. Auf dem Rückweg werden Ma und die Frau Kapitän von Hornissen verfolgt. Vermutlich sind wir ihrem Nest zu nah gekommen. Die See platt wie ein Laken. Die Gesichter der Crew sehen in der Dämmerung aus, als wären sie mit heller Bronze überzogen. Acht Stunden sind ein Tag!
Wetter:
Wind morgens W2, Vormittags W 3-4, Mittags W 4, später abnehmend W2; Baro steigt von 1010 morgens auf 1014 Nachmittags
Mittsommer und Vollmond gibts nur alle 70 Jahre! Der Mond steht genau im Süden dem letzten Tageslicht im Norden gegenüber. Zauberhaft.
Etmal: 53 sm
Segel- und Drifter-Bordlingo:
AIS — Automatic Identification System; ein funkgestütztes System zur Datenübertragung. Es übermittelt Position, Kurs, Geschwindigkeit, Schiffsname, Funkrufzeichen, CPA usw; das AIS erleichtert die Einschätzung von Verkehrssituationen sowie die Kommunikation zwischen Schiffen, und befördert die Kollisionsverhütung; es ersetzt aber nicht den Augenschein, denn nicht alle Schiffe sind damit ausgerüstet!
CPA — Closest point of approach; in der Schiffsnavigation mit AIS der kleinste Abstand zum Ort des Gegners beim Passieren
KVR — Kollisionsverhütungsregeln; internationales Seeverkehrsrecht; beinhaltet Ausweich- und Fahrregeln; z.B. haben Schiffe, die unter Segeln fahren, Vorrang vor Motorschiffen (in unserem Fall mit den Haifischfähren waren beide Fähren ausweichpflichtig, solange wir noch unter Segeln unterwegs waren); kreuzen sich die Wege zweier motorisierter Schiffe, weicht dasjenige aus, welches das andere Schiff an steuerbord sieht (Regel 15 KVR), und zwar rechtzeitig und deutlich sichtbar (im Fall mit den Haifischfähren mussten wir unter Motor der Fähre ausweichen, die von steuerbord kam, aber nicht derjenigen, die von backbord ranrauschte).
Heinz — der Motor
James — der Autopilot